9 Haltungen der Achtsamkeit


Die neun Haltungen der Achtsamkeit, wie sie von Jon Kabat-Zinn beschrieben wurden, bilden eine wichtige Grundlage für die Achtsamkeitspraxis. Sie unterstützen uns dabei, Achtsamkeit nicht nur in formellen Übungen, sondern auch im Alltag zu kultivieren. Jon Kabat-Zinn, der Begründer des MBSR-Programms (Mindfulness-Based Stress Reduction), betont, wie entscheidend diese Haltungen sind, um wirklich präsent zu sein und einen tieferen Zugang zum Leben zu finden.

Im Folgenden möchte ich euch einen Überblick über diese Haltungen geben, die ursprünglich in seinem Buch Full Catastrophe Living beschrieben wurden. Später ergänzte er diese um zwei weitere, sodass wir heute von insgesamt neun Haltungen sprechen können.


1. Anfänger-Geist

Jon Kabat-Zinn beschreibt den Anfänger-Geist als eine wunderbare Haltung, um den gegenwärtigen Moment bewusst zu erleben. Jeder Moment ist neu, frisch und einzigartig. Doch wie oft bringen wir unsere Meinungen, Vorstellungen und Erwartungen mit hinein und übersehen dadurch die eigentliche Qualität des Augenblicks?

Der Anfänger-Geist lädt uns ein, uns von diesen Vorannahmen zu lösen. Kabat-Zinn betont, wie transformativ es sein kann, Menschen mit dieser Haltung zu begegnen – sei es ein Kind, ein Partner oder ein Freund. Statt sie durch die Brille früherer Erfahrungen zu sehen, nehmen wir sie so wahr, wie sie jetzt sind.

Diese Haltung eröffnet uns, wie er sagt, unendliche Möglichkeiten. Während der „Experten-Geist“ oft eingeschränkt ist, eröffnet der Anfänger-Geist einen Raum voller neuer Möglichkeiten.


2. Nicht-Werten

Ein weiteres zentrales Element, das Kabat-Zinn in seiner Definition von Achtsamkeit hervorhebt, ist das „Nicht-Werten“. Er beschreibt Achtsamkeit als „die Bewusstheit, die entsteht, wenn wir absichtsvoll im gegenwärtigen Moment und ohne zu werten wahrnehmen.“

Nicht-Werten bedeutet nicht, dass wir keine Urteile fällen – das wäre unmöglich. Stattdessen geht es darum, unsere Neigung zu bewerten bewusst wahrzunehmen und zu lernen, das Bewerten selbst nicht zu bewerten.

Kabat-Zinn erklärt, wie Bewertungen oft wie ein Schleier wirken, der unsere Wahrnehmung verzerrt. Doch wenn wir diese Haltung kultivieren, entwickeln wir eine feinere Unterscheidungskraft, die uns hilft, klarer und mit mehr Weisheit zu handeln.


3. Akzeptanz

Akzeptanz, so beschreibt es Kabat-Zinn, ist ein aktiver Prozess. Es geht nicht um Resignation, sondern darum, die Dinge so anzuerkennen, wie sie sind.

Er erklärt, dass Akzeptanz nicht bedeutet, nichts verändern zu können. Im Gegenteil: Ohne Akzeptanz fehlt uns der klare Ausgangspunkt, von dem aus wir handeln können. Wenn wir die Realität annehmen, entsteht Raum für Heilung und Transformation.


4. Loslassen

Loslassen ist eine Haltung, die Kabat-Zinn als das Gegenteil von Festhalten beschreibt. Sei es an Objekten, Wünschen oder Gedanken – Anhaften kann uns belasten und Leiden verursachen.

Er veranschaulicht diese Haltung mit einer Geschichte aus Indien: Dort wird erzählt, wie man Affen fängt, indem man eine Banane in eine Kokosnuss mit einem kleinen Loch legt. Der Affe greift hinein, hält die Banane fest und kann seine Hand nicht mehr herausziehen – es sei denn, er lässt los.

Kabat-Zinn erklärt, dass Loslassen uns Freiheit schenkt. Es ist eine Praxis, die wir immer wieder üben können.


5. Vertrauen

Vertrauen beginnt, so Kabat-Zinn, bei uns selbst. Er beschreibt, wie wir die Weisheit unseres Körpers anerkennen können – seine Fähigkeit, zu atmen, zu heilen und zu funktionieren.

Dieses Vertrauen, sagt er, kann sich auf unser Herz, unseren Geist und schließlich auf unsere Beziehungen ausweiten. Es unterstützt uns dabei, Herausforderungen mit Zuversicht zu begegnen.


6. Geduld

Geduld bedeutet, wie Kabat-Zinn es beschreibt, den Dingen ihr eigenes Tempo zu lassen. Wenn wir ständig auf das „Nächste“ zueilen, verpassen wir die Gegenwart. Geduld hilft uns, langsamer zu werden und den natürlichen Rhythmus des Lebens zu akzeptieren.

Er illustriert diese Haltung mit einem Bild aus der Natur: Wie ein Schmetterling seine Zeit braucht, um aus dem Kokon zu schlüpfen, so können viele Dinge nicht beschleunigt werden.


7. Nicht-Streben

Nicht-Streben ist eine Haltung, die Kabat-Zinn als „Sein statt Tun“ beschreibt. Sie lädt uns ein, den Moment so zu akzeptieren, wie er ist, ohne etwas erzwingen zu wollen.

Er betont, dass diese Haltung nicht zu Passivität führt. Vielmehr entsteht daraus eine besondere Qualität des Handelns, die von Weisheit und Klarheit getragen wird.


8. Dankbarkeit und 9. Großzügigkeit

Dankbarkeit und Großzügigkeit, so Kabat-Zinn, sind essenzielle Haltungen, die uns helfen, mit dem Leben und anderen in Verbindung zu bleiben. Dankbarkeit erinnert uns daran, die vielen Geschenke des Lebens wahrzunehmen. Großzügigkeit vertieft unser Gefühl der Verbundenheit und schenkt Freude – nicht nur uns selbst, sondern auch anderen.


Alle 9 Haltungen sind eng miteinander verbunden

Wie Jon Kabat-Zinn erklärt, sind diese neun Haltungen eng miteinander verbunden. Jede von ihnen öffnet die Tür zu allen anderen. Gemeinsam bilden sie die Grundlage für die Achtsamkeitspraxis.

Wichtig ist dabei, dass Achtsamkeit nicht nur eine geistige Praxis ist. In den asiatischen Sprachen gibt es für „Geist“ und „Herz“ oft dasselbe Wort. Kabat-Zinn betont, dass Achtsamkeit ohne Herzhaftigkeit unvollständig wäre.

Diese Haltungen laden uns ein, mit dem Leben präsenter, verbundener und liebevoller umzugehen – Moment für Moment.

Mit meinem MBSR-Kursen üben wir auch diese 9 Haltungen zu kultivieren. Wenn du mehr dazu wissen möchtest, nehme gerne an einem meiner Kurse teil: Stressbewältigung durch Achtsamkeit: aktuelle MBSR-Kurse

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